Fristversäumungen

der Krankenkassen?

Wird Bummeln nicht mehr abgestraft?

Neue Rechtsprechung begünstigt Schnelle und Reiche!

 

In unserer letzten Ausgabe haben wir Sie in unserer Rechtskolumne unter dem Titel „Bummeln wird abgestraft“ über die Fristen informiert, innerhalb derer die Krankenkassen Anträge auf Hilfsmittelversorgungen bearbeiten müssen. Gleichzeitig haben wir Ihnen einen Überblick verschafft, welche Möglichkeiten Sie als Kunde haben, wenn die Krankenkasse die gesetzlich vorgeschriebenen Fristen versäumt.

Anja Faber-Drygala, Juristin und
Leiterin der Rechts- und Vertragsabteilung
bei der Sanitätshaus Aktuell AG
(© Sanitätshaus Aktuell AG)

Gastkolumne von Anja Faber-Drygala, Juristin bei der Sanitätshaus Aktuell AG

Am 26.05.2020 hat sich diese Rechtslage durch ein neues und brandaktuelles Urteil des Bundessozialgerichts gravierend zu Ungunsten der Versicherten geändert:

Die Fristen bleiben gleich:

Bei Hilfsmitteln zur Sicherung einer Krankenbehandlung beurteilt sich die Entscheidungsfrist nach dem Sozialgesetzbuch V: Hiernach müssen Krankenkassen binnen einer Frist von drei Wochen bzw. bei der Einholung eines Gutachtens binnen einer Frist von fünf Wochen über einen Leistungsantrag entscheiden.

Handelt es sich um ein Hilfsmittel, das dem Behinderungsausgleich dient, ist die 2-Monatsfrist des Sozialgesetzbuch IX maßgeblich.

Geändert hat sich allerdings die Rechtsfolge einer Fristversäumung

Bisher herrschte die Auffassung, dass bei einer Fristversäumnis durch die Krankenkasse die beantragte Leistung als genehmigt galt (sog. Genehmigungsfiktion). Dies bedeutete nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass nach Fristablauf der Versicherte sich die Leistung selbst beschaffen und die Krankenkasse auf Kostenerstattung in Anspruch nehmen durfte oder aber die Krankenkasse im Wege des Sachleitungsanspruches verpflichten konnte, die beantragte Leistung ihm zur Verfügung zu stellen.

Nun hat das Bundessozialgericht mit seiner Entscheidung vom 26.05.2020 (Az: B 1 KR 9/18 R) jedoch eine Kehrtwendung vollzogen. Es hat entschieden, dass die Versicherten bei Fristversäumnis der Krankenkassen keinen Sachleistungsanspruch, sondern lediglich einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Krankenkasse geltend machen können. Das heißt, die Versicherten müssen erst mal in Vorleistung treten, die Kosten der beantragten Leistung also zunächst privat übernehmen und die Erstattung bei der Krankenkasse im Nachgang beantragen.

Zudem gilt der Kostenerstattungsanspruch aufgrund der Genehmigungsfiktion auch nur „vorläufig“, also so lange, bis die Krankenkasse über den ursprünglichen Antrag entschieden hat. Um die Vorteile der Genehmigungsfiktion auszuschöpfen, muss also nicht nur der Versicherte die finanziellen Möglichkeiten haben, die beantragte Leistung sich selbst zu beschaffen, sondern auch die Selbstbeschaffung so schnell vornehmen, dass sie zwar nach Eintritt der Genehmigungsfiktion, aber noch vor Entscheidung der Krankenkasse über den ursprünglichen Antrag erfolgt.

Das Urteil sorgt derzeit für erhebliche Unruhe. Gerade die Interessenvertreter der Patienten kritisieren das Urteil deutlich. Es bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung dauerhaft beibehalten wird.

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