Die Krankheit mit den 1.000 Gesichtern
Multiple Sklerose
Dass Patienten mit Multipler Sklerose (MS) zwangsläufig im Rollstuhl landen, ist ein weitverbreiteter Irrtum. Dennoch trägt die Erkrankung nicht zu Unrecht den Spitznamen „Die Krankheit mit den 1.000 Gesichtern“. Mit einer individuellen Therapie kann die Lebensqualität erhöht und Defizite reduziert werden. Auch Hilfsmittel aus dem Sanitätshaus spielen eine wichtige Rolle. Sanitätshausinhaber Felix Carqueville gibt dem SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN (SAM) Einblicke in die Hilfsmittelversorgung von MS-Patienten.
Autor: Gunnar Römer
Auch nach jahrzehntelanger Krankheitsgeschichte sind viele MS-Patienten beruflich aktiv und nehmen fast uneingeschränkt am Alltagsleben teil. Die MS ist eine Autoimmunerkrankung. Das bedeutet, dass sich das eigene Immunsystem gegen Teile der Nervenfasern richtet und diese schädigt. Weil grundsätzlich alle Nerven betroffen sein können, sind die Beschwerden entsprechend vielseitig. Bei Fieber, Anstrengung oder Hitze verstärken sie sich. Die Therapie zielt darauf ab, akute Schübe zu mindern, beschwerdefreie Intervalle zu verlängern und Rückfälle zu vermeiden. Ärzte verabreichen hierzu u. a. Medikamente, die die Reaktion des Immunsystems unterdrücken.
Individuelle Hilfsmittel sind notwendig
„Besonders häufig haben wir MS-Patienten in den Bereichen Reha-Technik und Technische Orthopädie“, sagt Felix Carqueville, Geschäftsführer des Sanitätshauses Carqueville mit einer Zentrale in Kraftsdorf und 17 Filialen an weiteren Standorten. Der wichtigste Faktor für die Auswahl der Hilfsmittel ist der Schweregrad der Erkrankung. „Außerdem betrachten wir immer den Alltag und das häusliche Umfeld“, so Carqueville weiter. Ein erstes Hilfsmittel aus dem Bereich der Reha-Technik ist häufig ein Gehstock. Auch für das Wohnumfeld des Patienten müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.
Interview mit Geschäftsführer Felix Carqueville und Gunnar Pustal, Experte für die funktionelle Elektrostimulation (FES) und Bereichsleiter Orthopädietechnik
SAM: Bei welchen Beschwerden bzw. Defiziten können Sie MS-Patienten mit welchen Hilfsmitteln helfen?
Felix Carqueville: Wir stimmen die Hilfsmittelversorgung eng mit dem Patienten ab. Neben einem schlichten Gehstock können je nach Einschränkung weitere Hilfsmittel dazukommen. Dies sind zum Beispiel ein Rollator oder ein Aktivrollstuhl bis hin zum Pflegerollstuhl. Im Wohnumfeld muss die Sturzgefahr minimiert werden. Hierfür bieten wir beispielsweise Duschhocker und Haltegriffe für das Bad oder Aufstehsessel sowie Treppenlifte für die Wohnräume an.
SAM: Kommt es vor, dass MS-Patienten ein aus Patientensicht notwendiges Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht bewilligt bekommen?
Felix Carqueville: Grundsätzlich arbeiten wir gut mit den Hilfsmittelberatern der Krankenkassen und des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zusammen. Diskussionen gibt es häufig dann, wenn wir eine künftig zu erwartende, aber noch nicht konkret eingetretene Situation des Patienten mitberücksichtigen, also vorausschauend agieren.
SAM: Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen MS-Patient, den verordnenden Ärzten und Ihnen als Sanitätshaus allgemein?
Felix Carqueville: Grundsätzlich sehr gut. MS-Patienten sind meist sehr mündige Patienten, die sich Ihrer Krankheit bewusst sind und sich mit den nötigen Hilfsmitteln auseinandersetzen. Das sehen wir als Vorteil, da diese Patienten so auch ihre Rechte aktiv durchsetzen.
SAM: MS-Patienten weisen viele Symptome auf. Kann ein Sanitätshaus all das überhaupt mit seinem Hilfsmittelsortiment abdecken?
Felix Carqueville: Genau dafür sind Sanitätshäuser ja Fachhändler mit speziell ausgebildeten Fachberatern. Wir greifen auf ein breites Spektrum von Lieferanten zurück und haben die Kompetenzen zu kundenindividuellen Maßanfertigungen in unserer orthopädietechnischen Werkstatt.
SAM: Wie unterscheiden sich Hilfsmittelversorgung und Beratung beispielsweise zwischen einem Schlaganfall- und einem MS-Patienten?
Felix Carqueville: Der grundsätzliche Unterschied liegt im Verlauf. Ein Schlaganfallpatient erkrankt „schlagartig“. Bei MS hingegen handelt es sich um eine fortschreitende Erkrankung. Ziel ist aber in beiden Fällen, Einschränkungen auszugleichen und so weit wie möglich die Autonomie zu erhalten.
SAM: Wie profitieren MS-Betroffene von dem FES-Verfahren?
Gunnar Pustal: FES-Systeme sind schon seit längerem auf dem Markt erhältlich, um Menschen mit zentraler Fußheberschwäche ein besseres Gehen zu ermöglichen. Sanfte elektrische Impulse fordern im Gang die Muskeln auf, den Fuß zum richtigen Zeitpunkt anzuheben. Gerade diese echte Muskelkontraktion stellt im Krankheitsbild der MS einen großen Vorteil gegenüber bisherigen Hilfsmitteln dar. Leider haben FES-Systeme keine Hilfsmittelnummer und müssen durch den Kostenträger im Einzelfall entschieden werden.
SAM: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Mehr über das Sanitätshaus mit dem Lächeln erfahren Sie unter: www.carqueville-online.de