Bei Schlaganfall richtig reagieren

– auch in Corona-Zeiten

Interview mit Dr. Johannes Schenkel, Neurologe und ärztlicher Leiter der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD)

 

SAM: Was ist der Unterschied zwischen einem ischämischen Infarkt und einer Hirnblutung?

Dr. Johannes Schenkel: Der ischämische Hirninfarkt ist die häufigste Form des Schlaganfalls. Ein Blutgerinnsel oder eine Gefäßverkalkung führt dazu, dass ein Blutgefäß im Gehirn verstopft. So kommt es zu einer Mangeldurchblutung. Eine Hirnblutung tritt auf, wenn ein Blutgefäß im Gehirn platzt und Blut ins Hirngewebe austritt. Auch in diesem Fall kann das Nervengewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden.

SAM: Welche Schäden kann ein Schlaganfall verursachen?

© UP

Dr. Johannes Schenkel: Das kommt ganz darauf an, welche Hirnregion von der Mangeldurchblutung betroffen ist. So können zum Beispiel Lähmungen oder Taubheitsgefühle auftreten, ebenso wie Sprach- und Sehstörungen.

SAM: Wieso ist bei der Behandlung des Schlaganfalls der Faktor Zeit so entscheidend?

Dr. Johannes Schenkel: Die Nervenzellen im Gehirn reagieren äußerst empfindlich auf den Mangel an Sauerstoff. Je länger dieser anhält, desto größer sind die Schäden, die entstehen können. Daher ist es wichtig, bei den Anzeichen eines Hirninfarkts sofort richtig zu regieren.

SAM: Was sind die Anzeichen für einen Schlaganfall und wie sollte man reagieren?

Dr. Johannes Schenkel: Zu den möglichen Symptomen gehören eine plötzlich auftretende Lähmung oder ein Taubheitsgefühl auf einer Seite des Körpers oder im Gesicht. Ebenso können Sehstörungen wie beispielsweise Doppelbilder oder Ausfälle im Gesichtsfeld, plötzlich auftretender Schwindel und ein unsicherer Gang auf einen Schlaganfall hinweisen. Auch wenn Betroffene plötzlich abgehackt, undeutlich oder verwaschen sprechen, ist dies ein Alarmzeichen. Anwesende sollten sofort den Rettungsdienst rufen.

SAM: Gilt dies auch in Zeiten der Corona-Pandemie?

Dr. Johannes Schenkel: Ja, absolut, ein Schlaganfall ist ein Notfall. In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass in den Kliniken weniger Patienten aufgrund eines Schlaganfalls behandelt worden sind. Dies lässt sich nur so erklären, dass sich viele Patienten aus Angst vor einer Ansteckung scheuen, bei den typischen Anzeichen eines Schlaganfalls den Rettungsdienst zu rufen. Doch der Schaden, der durch eine nicht erfolgte oder nicht rechtzeitige Behandlung des Schlaganfalls entsteht, wiegt scheinlich deutlich schwerer als die Gefahr, durch eine Krankenhaus-Infektion mit dem Coronavirus Schaden zu nehmen. Daher sollte jeder Verdacht auf einen Schlaganfall sofort professionell abgeklärt werden.

SAM: Welche Verfahren werden in der Akutphase des Schlaganfalls angewendet?

Dr. Johannes Schenkel: Bei einer Hirnblutung muss eventuell operiert werden, um das ausgetretene Blut zu entfernen. Ist ein Blutgerinnsel der Auslöser des Schlaganfalls, kann es zum einen mithilfe eines Medikaments aufgelöst werden. Dieses Verfahren nennt sich Thrombolyse. Eine weitere Möglichkeit ist die Thrombektomie. Über die Leistenarterie wird dabei ein Katheter in die Hirnarterie vorgeschoben und das Gerinnsel entfernt. Allerdings kann die Thrombektomie bislang noch nicht in jeder Stroke-Unit durchgeführt werden.

SAM: Wieso ist eine solche Stroke-Unit für Schlaganfallpatienten so wichtig?

Dr. Johannes Schenkel: Bei einer Stroke-Unit handelt es sich um eine spezialisierte Einrichtung mit einem multiprofessionellen Behandlungsteam. Das heißt, die Station hat die technischen und personellen Voraussetzungen, um Schlaganfallpatienten bestmöglich zu versorgen.

SAM: Was muss bei einer Reha beachtet werden?

Dr. Johannes Schenkel: Bei der Auswahl der Rehaeinrichtung ist der Sozialdienst der behandelnden Klinik behilflich. Dabei sind insbesondere zwei Aspekte wichtig: Zum einen muss die Einrichtung auf die Behandlung von neurologischen Defiziten spezialisiert sein. Darüber hinaus spielt die vom Patienten benötigte Versorgungsstufe eine Rolle. Schwerstbetroffene brauchen in der Regel eine Frührehabilitation, die nicht von jeder Rehaklinik angeboten wird.

SAM: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch!

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