Da zieht was im Rücken

Ursachen und Therapie bei einem Bandscheibenvorfall

 

Autor: Christian Sujata

Rund fünf Prozent aller (!) Menschen bekommen irgendwann in ihrem Leben Kreuzschmerzen, die von einem Bandscheibenvorfall herrühren. Die Schmerzen können plötzlich einsetzen und rasch von selbst wieder verschwinden. Dauern die Schmerzen dagegen mehr als sechs Wochen an, ist es unwahrscheinlich, dass sie von allein wieder verschwinden. Eine Operation ist nur selten nötig, beispielsweise wenn die konservative Therapie versagt. Eine Rückenorthese kann die Heilung effektiv unterstützen. Das SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN hat sich die weitverbreitete Erkrankung der Wirbelsäule etwas genauer angeschaut und mit einem Orthopädietechnik-Meister aus einem Sanitätshaus mit dem Lächeln über die Hilfsmitteltherapie gesprochen.

Wer ständig lange sitzt, seinen Körper einseitig belastet, sich zu wenig oder falsch bewegt, hat ein erhöhtes Risiko für einen Bandscheibenvorfall. Auch die natürliche Abnutzung mit dem Alter kann diesen fördern. Meist kommt es beispielsweise beim Heben schwerer Sachen zu einem akuten Bandscheibenvorfall. Die Schmerzen beim Bandscheibenvorfall unterscheiden sich von Rückenschmerzen, die etwa auf Verspannungen beruhen. Der Bandscheibenvorfall entsteht, wenn durch eine Überbelastung oder extreme Fehlbelastung Nerven im Rücken gequetscht werden, weil die Bandscheibe zwischen den Wirbeln verrutscht. Ein heftiger, meist stechender, ausdauernder Schmerz ist die Folge, je nachdem, ob die Nerven bzw. Nervenwurzeln involviert sind. Es kann zu Lähmungen und Sensibilitätsstörungen kommen.

Was ist ein Bandscheibenvorfall überhaupt?

Unsere Bandscheiben bestehen aus dem sogenannten Gallertkern im Inneren und dem harten Faserring, der diesen Kern umgibt. Der Kern wirkt wie ein Gelkissen, verliert aber im Laufe des Alters an Elastizität. Grund dafür ist der sinkende Wassergehalt innerhalb des Gallertkerns. Die Folge ist, dass die Bandscheiben an Flexibilität verlieren, Bewegungen und Stöße können nicht mehr so gut abgefedert werden. Daraufhin kann es zu kleinen Rissen im Faserring kommen. Bei einem Bandscheibenvorfall bricht ein Teil des Gallertkerns aus dem Faserring heraus und gelangt in den Wirbelkanal. Der so vorgefallene Teil drückt auf die Nervenwurzel. Für die Patientin oder den Patienten ist dies äußerst schmerzhaft und häufig mit erheblichen Bewegungseinschränkungen verbunden.

Neben den typischen Symptomen eines Bandscheibenvorfalls können auch Spätfolgen auftreten. Wenn die Bandscheiben schmerzen, heißt das zwar noch nicht, dass dies ein anhaltender Bandscheibenvorfall sein muss, denn häufig schafft der Körper es von selbst, den ausgetretenen Teil des Gallertkerns abzubauen, sodass dieser nicht mehr auf den Nerv drückt. Sollte sich jedoch keine Besserung einstellen, ist es dringend ratsam, so früh wie möglich eine Fachärztin oder einen Facharzt aufzusuchen. Einige Bandscheibenvorfälle können nur durch eine Operation behandelt werden, besonders dann, wenn der eingequetschte Nerv sich bereits auf die Darm- und Blasenfunktion auswirkt.

Bandscheibenvorfall konservativ behandeln

Die meisten Menschen mit einem Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelbereich werden allerdings „konservativ“ behandelt, das heißt ohne Operation. Dazu gehören vor allem Bewegung, Entspannung und Entlastung, schmerzstillende oder lokal betäubende Medikamente sowie manuelle und physikalische Therapien. Eine Rückenorthese kann die Heilung effektiv unterstützen. Das SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN hat sich dazu mit dem erfahrenen Orthopädietechnik-Meister Martin Kemper aus dem Sanitätshaus Appelrath-Kemper unterhalten.

 

„Die Wirbelsäule ist irgendwann müde von einem langen Dasein und braucht Unterstützung.“

Interview mit Martin Kemper und seinem Sohn Lukas Kemper, beide Orthopädietechniker-Meister und Geschäftsführer des Sanitätshauses Appelrath Kemper sowie des Busch Gesundheits-Zentrums in Köln, über die Orthesenversorgung von Bandscheibenvorfall-Patientinnen und-Patienten.

© Appelrath Kemper GmbH

SAM: Herr Kemper, rund 80 Prozent der Deutschen klagen irgendwann mal über Rückenschmerzen. Ist dies auch Thema in Ihrem Sanitätshaus?

Martin Kemper: Wir haben uns seit Jahrzehnten auf die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Rückenproblemen spezialisiert, deshalb ist das für uns Tagesgeschäft. Der Rücken ist eine wesentliche Säule im Sanitätshaus und unser Personal gut geschult, um individuell darauf zu reagieren. Auch aus den orthopädischen Praxen und Krankenhäusern hört man, dass das Thema Rücken in den letzten Jahren einen besonderen Stellenwert bekommen hat.

SAM: Können Sie was zur Alters- und Geschlechtsverteilung Ihrer Patientinnen und Patienten mit Rückenleiden sagen?

Lukas Kemper: Es kommt immer auf die Diagnose an. Bei Osteoporose bspw. überwiegt der weibliche Anteil. Bei Bandscheibenvorfällen ist es wieder eine andere Sache. Dieses Leiden überwiegt mehr bei den Männern. Auch Lumbalgien betreffen Männer etwas stärker. Man kann bei der Altersstruktur in der Regel von 50 aufwärts sprechen. Da handelt es sich dann meist um degenerative Ursachen wie Verschleiß oder Alterung. Die Wirbelsäule ist irgendwann müde von einem langen Dasein und braucht Unterstützung. Oder die Bandscheiben sind nicht mehr so elastisch, die Bandscheibenstrukturen halten nicht mehr so fest und so kommt es zu Bandscheibenvorfällen. Da kann man mit Hilfsmitteln wunderbar helfen. Nicht vergessen darf man, dass der Verschleiß natürlich auch mit dem Gewicht zu tun hat, da dieses mehr Druck auf die Wirbelsäule ausübt. Und übergewichtige Menschen gibt es zunehmend mehr.

SAM: Wie sieht es denn bei jüngeren Leuten aus?

Martin Kemper: Die kommen in erster Linie infolge eines Unfalls zu uns. Oder wenn ihre Wirbelsäule verkrümmt und ein Korsett notwendig ist, mit dem wir aufgrund des jugendlichen Alters noch korrigieren können. Bei Skoliose sind es vor allem Betroffene im jugendlichen Alter. Gleiches gilt für Morbus Scheuermann, eine Wachstumsstörung der Wirbelsäule.

© Appelrath Kemper GmbH

SAM: Nun haben Sie direkt schon einige Indikationen genannt, gibt es weitere?

Lukas Kemper: Auch ein psychisches Leiden, bspw. die Sorge um die Zukunft, kann Auswirkung auf den Rücken haben. Genauso Verspannungen, die aufgrund des Arbeitens im Homeoffice, welches sich seit Beginn der Coronapandemie exorbitant ausgeweitet hat, zugenommen haben. Die Menschen sitzen dann falsch, bewegen sich zu wenig, verharren in ihrer Position, auf nicht ergonomischen Möbeln und in falscher Sitzposition. All das manifestiert sich dann im Rücken.

SAM: Kommen wir noch mal auf den von Ihnen genannten Bandscheibenvorfall zurück. Welche Hilfsmittel setzen Sie da ein?

Martin Kemper: Natürlich Orthesen, denn ein Hilfsmittel, das bei einem Bandscheibenvorfall eingesetzt wird, benötigt eine Wirkung, die entlordosierend ist. Das heißt: Man steht ja im Hohlkreuz und muss dieses nun entlasten. Deshalb muss man entweder eine Beckenkippung hinbekommen oder man benötigt vorne vom Bauch her eine Stütze, um der starken Lordorse (ein Hohlkreuz, das durch eine übermäßig ausgeprägte Vorwärtskrümmung der Wirbelsäule im Lendenbereich herrührt, Anm. d. Red.) entgegenzuwirken. Alle Orthesen, die so eine Wirkung haben, sind als Hilfsmittel geeignet.

SAM: Und Rückenbandagen?

Lukas Kemper: Bei einem Bandscheibenvorfall können Bandagen nur helfen, wenn sie überbrücken. Das heißt, es darf keine schmale Bandage sein, sondern eine, die die ganze Lendenwirbelsäule überbrückt und mehr Effektivität aufweist.

SAM: Können Sie unseren Leserinnen und Lesern bei dieser Gelegenheit in aller Kürze den Unterschied zwischen Rückenorthese und Rückenbandage erklären?

Ein Überbrückungsmieder wird bei vielen Diagnosen
wie auch einem Bandscheibenvorfall angewandt.
(© Appelrath Kemper GmbH)

Martin Kemper: Bandagen sind standardmäßig elastische Elemente. Die Orthesen im Gegensatz dazu sind grundsätzlich steife Elemente, die bspw. Stäbe oder Kunststoff oder andere feste Materialien im Inneren beinhalten und so eine viel stärkere Wirkung erzeugen.

SAM: Welche Änderungen bemerkt der oder die von einem Bandscheibenvorfall Betroffene direkt durch das Tragen einer Rückenorthese?

Lukas Kemper: Die Betroffenen spüren sofort eine Entlastung und Reduzierung der Schmerzen. Dadurch erhalten Sie unmittelbar ein Sicherheitsgefühl, was dazu führt, dass sie mutiger werden, gewisse Bewegungen zu wagen, an die zuvor lange nicht zu denken war. Diese Bewegungen wiederum, bspw. in Form wichtiger Krankengymnastik, sind das Ausschlaggebende, damit das Muskelkorsett (welches aus der geraden, der schrägen und der queren Bauchmuskulatur sowie aus der tiefen Rückenmuskulatur besteht, Anm. d. Red.) wieder trainiert wird. Dadurch verschwinden mittelfristig die Schmerzen und die Patientinnen und Patienten können sich in der Folge wieder von ihrem Hilfsmittel entfernen. Führt eine Betroffene oder ein Betroffener dies auch weiterführend regelmäßig fort, bleiben auch die Probleme meist dauerhaft fern und treten nicht wieder auf.

SAM: Bedeutet dies, dass das Tragen oder die Therapie mit einer Rückenorthese bei einem Bandscheibenvorfall immer endlich ist?

Martin Kemper: Das ist so angedacht, ja.

SAM: Benötigt man für das Handling mit einer Rückenorthese die Hilfe anderer?

Lukas Kemper: Wichtig ist zu Beginn eine gute Einweisung von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter aus dem Sanitätshaus. Da werden auch ein paar Tricks weitergegeben, bspw. wie man sich mit dem Rücken an die Wand lehnt und eine entlordosierende Stellung einnimmt, bevor man vorne die Klettverschlüsse schließt. Aber danach sollte es kein Problem sein, das Hilfsmittel ohne fremde Hilfe an- und wieder abzulegen.

SAM: Was hilft ergänzend bei einem Bandscheibenvorfall?

Martin Kemper: Auch Wärme hat eine gute Auswirkung auf die Muskelverspannungen rund um einen Bandscheibenvorfall. Hier kommen bspw. Nierenwärmer zum Einsatz. Auch leichte Massagen in diesen peripheren Bereichen können effizient wirken. Und ganz wichtig bei dieser Indikation ist der sogenannte Bandscheibenwürfel für eine Stufenlagerung. Mit dessen Hilfe kann sich die Patientin oder der Patient in einer entlordosierenden Lage hinlegen.

SAM: Und wie gelangen die Patientinnen oder Patienten an Ihr Hilfsmittel?

Im Jahre 1912 erhielt Anna Appelrath-Hallerbach
das Kaiserliche Patent Nr. 270771 für eine entwickelte
und erprobte Korsettleibbinde. Im Jahre 1935 übernahmen
die Kinder der Gründer, Peter Appelrath und Katharina
Kemper, das Unternehmen. Heinz-Günther Kemper, der Sohn
von Katharina Kemper, übernahm 1966 die Firma zusammen
mit seine Frau Marianne. Sie änderten 1977 den Firmennamen
zu dem heutigen Namen Appelrath-Kemper.
(© Appelrath Kemper GmbH)

Lukas Kemper: Dies geschieht fast ausschließlich über die Verordnung einer Ärztin oder eines Arztes. Und das ist auch gut so, da wir für die optimale Hilfsmittelversorgung auch eine korrekte Diagnose benötigen. Dabei muss diese oder dieser keinen Hersteller verschreiben, sondern bspw. eine „entlordosierende Orthese“ oder eine „entlastende Bandage“.

SAM: Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Die Firma Appelrath-Kemper (damals noch unter dem Namen Appelrath-Hallerbach) wurde am 23. März 1899 von Heinrich Appelrath und seiner Ehefrau Anna Appelrath, geb. Hallerbach, gegründet. Heinrich war Handschuhmacher, Anna war ausgebildete Bandagistin und Korsettnäherin. Heinz-Günther Kemper pflegte eine enge Beziehung zu Dr. Jacques Chêneau, dem Entwickler des Chêneau-Korsetts, welches bis heute noch erfolgreich eingesetzt wird und in der eigenen Werkstatt gebaut wird.

1989 übernahmen die beiden jüngeren Kinder von Heinz-Günther und Marianna Kemper, Andrea Kemper-Gawel und Martin Kemper, die Geschäftsleitung. Andrea als ausgebildete Bandagistin und Bürokauffrau und Martin Kemper als frischer Absolvent der Meisterschule für Orthopädietechnik sowie Diplombetriebswirt. 2020 übernahmen Martin Kemper und Lukas Kemper die Firmen Busch Unterwagner in Köln Mülheim und Busch Haserich in Köln Kalk unter gleichem Namen.

2021 bestand Lukas Kemper an Rosenmontag seine Meisterprüfung und stieg anschließend in die Geschäftsführung, neben seinem Vater, als fünfte Generation ein.

Mehr über das Sanitätshaus mit dem Lächeln erfahren Sie hier:

 

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