Gut gewappnet durch den Winter –
worauf muss ich achten?

Experteninterview zur Grippesaison

 

Wenn es um die Gesundheit in den Herbst- und Wintermonaten geht, wird häufig über ein geschwächtes Immunsystem gesprochen – die Grippe- und Erkältungssaison erreicht in der kälteren Jahreszeit einen Höchststand.

Mit sinkenden Temperaturen und der Beheizung von Räumen steigt ab Oktober in der Regel das Risiko, an einer Infektion zu erkranken. Der Wechsel zwischen warmer Heizungsluft drinnen und kalter Luft draußen trocknet Schleimhäute im Nasen-Rachen-Raum aus und begünstigt das Eindringen von Bakterien, Viren und anderen Erregern. Besonders Menschen, deren Immunsystem aufgrund einer Vorerkrankung oder durch Medikamente geschwächt ist, sollten bestimmte Vorsorgemaßnahmen in Erwägung ziehen. Ausreichende Hygienemaßnahmen minimieren das Infektionsrisiko und schützen vor einer Ansteckung.

Dr. med. Ulrich Enzel, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin aus Heilbronn,
Autor von Fachpublikationen zum Thema Prävention (unter anderem im Bereich Impfwesen), beantwortet Fragen zu Infektionskrankheiten im Winter.

SAM: Warum ist das Risiko, an einer Infektionskrankheit zu erkranken in den Wintermonaten höher?

© privat

Dr. Enzel: Gleich mehrere Faktoren tragen zu einer Erhöhung des Erkrankungsrisikos während der kalten Jahreszeit bei. Viele der uns bedrohenden Viren werden durch die im Sommer intensivere UV-Strahlung abgetötet. Die während der warmen Jahreszeit mit der Temperatur ansteigende Luftfeuchtigkeit bindet viele Erreger in große, schwere Partikel, die rasch zu Boden sinken.
Eine schnelle Temperaturreduktion über mehrere Tage führt zu einer schlechteren Durchblutung der Schleimhäute. Vor allem aber werden alle Erreger leichter übertragen, wenn wir uns längere Zeit in schlecht gelüfteten Räumen bei warmer, trockener Heizungsluft dicht beieinander aufhalten.

SAM: Warum sind bestimmte Personengruppen anfälliger?

Dr. Enzel: Unsere gesamte Infektabwehr macht im Laufe unseres Lebens tiefgreifende Veränderungen durch. So kommt es im Alter von über 60 Jahren regelmäßig zu einer Schwächung des Immunsystems. Aber es gibt auch individuelle Risiken: eine angeborene Immunschwäche oder eine, die durch Erkrankungen des Abwehrsystems ausgelöst wurde oder eine durch Infektionskrankheiten (zum Beispiel Masern oder HIV) erworbene. Schließlich beeinflussen auch manche Medikamente unser Immunsystem und unser psychisches Befinden wirkt sich ebenfalls auf unsere Infektanfälligkeit aus.

SAM: Welche Möglichkeiten gibt es, sich vor Infektionskrankheiten zu schützen?

Dr. Enzel: Von eminenter Wirksamkeit ist ein vollständiger Impfschutz, der so leicht gegen die wichtigsten der uns bedrohenden Erreger aufgebaut werden kann. Zusätzlich senken die bekannten AHA+Lüften-Regeln das Niveau der Infektionskrankheiten – wie im vergangenen Winter.

SAM: Warum ist ein vollständiger Impfschutz für Personen mit geschwächtem Immunsystem besonders wichtig?

Dr. Enzel: Jede Infektionskrankheit stellt eine Auseinandersetzung unseres hochkomplexen Immunsystems mit den Angriffspotenzialen des jeweiligen Erregers dar. Ist unser Immunsystem etwa aufgrund des Alters, einer Krankheit oder durch gewisse Medikamente geschwächt, können uns Erreger nicht nur leichter infizieren. Auch schwere Krankheitsverläufe drohen, sogar Komplikationen. Gerade solche Schwächung können Impfungen verbessern oder gar aufheben. Daher sollte der Impfschutz für diese Patientengruppe so umfassend als irgend möglich sein, damit der Körper auf die Auseinandersetzung mit vielen Erregern optimal vorbereitet ist.

SAM: Welche Impfungen sollten immungeschwächte Patient:innen erhalten?

Dr. Enzel: Glücklicherweise verfügen wir über Datenerhebungen, welche Infektionen Immungeschwächten besonders häufig und gravierend Probleme bereiten. Hieraus ist ersichtlich, dass diese Patient:innengruppe vor allem gegen Bakterien geimpft werden sollte, gegen die sich unser Immunsystem besonders schwertut: Das sind Pneumokokken und Meningokokken.

Unbedingt sollten alle Immungeschwächten jedes Jahr erneut gegen Grippe geimpft werden. Auch eine Impfung gegen Covid-19 ist zwingend erforderlich.

Daneben sollte auch eine Grundimmunisierung gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Kinderlähmung sowie gegen Hepatitis A und B bestehen.
Manche dieser Impfungen müssen regelmäßig aufgefrischt werden. Klare Empfehlungen der STIKO (Ständige Impfkommission) zeigen die korrekte Vorgehensweise auf.

Die STIKO rät dringend dazu, auch alle Haushalts-Kontaktpersonen und andere enge Kontaktpersonen gegen diese Erkrankungen zu impfen.

SAM: Ist eine Impfung während der Wintermonate/Grippesaison sinnvoll?

Dr. Enzel: Die oben genannten Impfungen können das ganze Jahr hindurch jederzeit durchgeführt werden. Die Antwort unseres Immunsystems ändert sich nicht mit Jahreszeit oder Kälte. Lediglich die jährliche Grippeimpfung sollte mit dem Impfstoff, der jeweils an die zu erwartenden Grippeviren angepasst ist, ab September/Oktober durchgeführt werden. Sollte dieser Zeitpunkt versäumt worden sein, kann diese Impfung während der gesamten Grippesaison nachgeholt werden.

SAM: Sind neben der Grippeimpfung noch weitere Schutzimpfungen im Winter zu empfehlen?

Dr. Enzel: Gerade die Wintermonate bringen besonders hohe Ansteckungsrisiken mit sich. Daher sollte die jährliche Grippeimpfung im Herbst und Winter immer auch zu einem Impf-Check genutzt werden. Auch die Pneumokokken-Impfung muss in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden. Und bereits ab dem Alter von 50 Jahren sollten alle Immungeschwächten auch gegen Gürtelrose geimpft werden, ab dem 60. Lebensjahr alle Personen.

Zahlreiche Impfungen können gleichzeitig mit der Grippeimpfung verabfolgt werden. Im Gegenteil: Wir wissen aus Studien an Millionen gegen Grippe Geimpfter, dass diese weit seltener als Ungeimpfte wegen Covid-19-Infektionen ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Auch verlaufen diese Krankheitsfälle mit weniger Komplikationen.

Ein umfassender Impfschutz ist für alle Menschen, ganz besonders aber für Immungeschwächte die beste Vorbereitung auf den Winter mit seiner verstärkten Bedrohung durch Infekte.

SAM: Herzlichen Dank für das Interview.

 

Dr. med. Ulrich Enzel, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Zusatzbezeichnung Allergologie, Autor von Fachpublikationen zum Thema Prävention u. a. im Bereich Impfwesen, Heilbronn.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter: www.impfdichstark.de

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