Kindersicherheit im Auto
Rückwärtsfahren, Autositze, Gurtsysteme & Co.
Autorin: Jana Pajonk
Mit Kindern lange Strecken im Auto fahren ist oft ein anstrengendes Unterfangen. Wie gut, dass man sie inzwischen wenigstens fixieren kann – nein muss!
Alle Menschen über 40 können sich noch gut daran erinnern: Autofahrten, in denen sie auf der Rückbank nach Lust und Laune lümmelten, sich mal setzten, mal lagen oder knieten und rücklings aus dem Fenster schauten. Erst 1993, also vor gerade mal gut 30 Jahren, wurde die gesetzliche Anschnallpflicht für Kinder eingeführt. Denn die Verletzungen, die sie bei Unfällen erlitten, waren oft sehr schlimm. Seither tüfteln Ingenieurinnen und Ingenieure und entwickeln immer ausgeklügeltere Methoden, um kleine Fahrgäste in Autos bestmöglich vor Unfallverletzungen zu schützen.
Gesetzliche Vorschriften
Heute ist es nicht nur Pflicht, seine Kinder anzuschnallen. Bis zum Alter von 12 Jahren oder einer Körpergröße von 1,50 Metern muss zusätzlich ein Kindersitz im Fahrzeug installiert werden. Wie diese genau auszusehen haben, regeln Prüfnormen. Sitzerhöhungen ohne Rückenlehne sind nur für Kinder erlaubt, die mindestens 22 Kilogramm wiegen und mehr als 1,25 Meter groß sind. Grundsätzlich sind alle Kindersitze auf dem Markt nach Gewichtsgruppen eingeteilt bzw. werden nach Alter und Größe des Kindes ausgewählt. Alle diese Maßnahmen sind das Ergebnis umfassender Studien zu Unfallverletzungen und deren Prävention. Das ist auch der Grund, warum Babys und Kleinkinder bis zu einem Gewicht von 13 Kilogramm beziehungsweise einem Alter von 15 Monaten unbedingt mit dem Rücken zur Fahrtrichtung transportiert werden müssen.
„Das liegt daran, dass diese ganz kleinen Kinder ihren Kopf noch nicht oder nicht gut selbständig halten können und allein schon starke Bremsungen Verletzungen verursachen können“, erklärt Mike Welk, Gebiets- und Vertriebsleiter des Sanitätshauses Thönnissen in Koblenz und Lahnstein sowie Reha Team Aartal in Gückingen.
Kinder mit besonderen Bedürfnissen
Wie andere Sanitätshäuser auch sind er und seine Kolleginnen sowie Kollegen auf die Versorgung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen spezialisiert. Hier ist viel Fachwissen und Einfühlungsvermögen gefragt. Als Mike Welk vor 31 Jahren beim Sanitätshaus anfing, gab es auch für sie noch keine Vorrichtungen. Er erinnert sich an eine der ersten Familien, die er betreute, deren vier Monate altes Kind hatte einen großen Tumor im Kopf. „Die Familie wünschte sich einen Kindersitz, der den sehr großen Kopf ihres Kindes gut stützen konnte“, erzählt Welk. „Doch da gab es nichts. Kein System, das es konfektioniert zu kaufen gab, hätte gepasst. Da habe ich eine Art Schale gebaut aus Aluminium mit einer Schaumstoffbettung, sodass das Kind liegend transportiert werden konnte.“ Nach einem TÜV hat damals keiner gefragt. Und es war die orthopädische Abteilung des Sanitätshauses, die damals die notwendigen Materialien und Geräte zur Verfügung gestellt hat. „Die Rehabranche stand noch in den Kinderschuhen“, erinnert sich Mike Welk, „es gab wenige Hersteller oder Vorgaben.“
Heute ist auch in diesem Bereich alles geregelt und alles ganz anders. Weil man festgestellt hat, dass Standardkindersitze für viele Beeinträchtigungen und Erkrankungen nicht ausreichen, haben sich einige Firmen auf Systeme für Kinder mit besonderen Bedürfnissen spezialisiert. Und genau diese findet man in den Sanitätshäusern. „Diese Systeme wachsen mit und lassen sich viel umfassender ver- und einstellen“, erklärt Welk. Sie kosten natürlich auch wesentlich mehr. „Die Preise beginnen ab 1.600 Euro“, berichtet der Vertriebsleiter. Doch zum Glück übernehmen die Krankenkassen den Großteil dieser Kosten. „Die Eltern zahlen in etwa das dazu, was sie ein Standardkindersitz kosten würde, also rund 150 Euro.“ Die Sanitätshäuser übernehmen die Beratung und Anpassung der individualisierten Systeme, erklären die Nutzung und wissen auch, wie die Eltern die Zuschüsse bei den Kassen beantragen.
Fachgerechte Nutzung ist das A und O
„Das Wichtigste ist, dass alle Kindersicherungssyteme fachgerecht und entsprechend der Bedienungsanleitung genutzt werden“, mahnt Mike Welk. Er und seine Kolleginnen und Kollegen weisen die Eltern umfassend ein. Doch um das Lesen der Bedienungsanleitung kommt kein Elternteil umhin. Vorschriften können alles regeln, die Hersteller ihr Bestes geben. Doch am Ende sind es die Eltern und Großeltern, die den Sitz an der richtigen Stelle richtig befestigen und das Kind ordnungsgemäß anschnallen müssen. Nur so können die wunderbaren technischen Erfindungen ihre Schutzwirkung voll entfalten.
Check
• Auch bei kurzen Strecken: Kinder ausschließlich ordnungsgemäß gesichert befördern!
• Der Rücksitz hinter dem Beifahrersitz oder in der Mitte gilt als besonders sicher, da das An- und Abschnallen auf der verkehrsruhigen Seite vom Bordstein aus erfolgen kann.
• Nur in Ausnahmefällen, sofern überhaupt gestattet, das Kind auf den Beifahrerplatz setzen. Ein rückwärtsgerichtetes Kinderrückhaltesystem darf nur auf dem Beifahrersitz montiert werden, wenn ein vorhandener Beifahrerairbag deaktiviert ist.
• Bei Kleinkindern wenn möglich eine weitere Person zur Betreuung des Kindes/der Kinder mitnehmen.
• Babys und Kinder nie unbeaufsichtigt lassen
• Verriegelung der Tür (Kindersicherung) empfehlenswert
• Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung
• Insbesondere bei längeren Fahrten: ausreichend Proviant/Trinkflüssigkeit mitnehmen; mehrere Pausen einlegen, möglichst auch verbunden mit Bewegung; im Vorfeld Gedanken zur Beschäftigung der Kinder machen (Musik, Hörbücher, Bücher, Spiele etc.).