Kompressionshilfe bei Lipödem und Lymphödem
Fachkenntnis und Fingerspitzengefühl bei der Kompressionsbestrumpfung
Anke Nichelmann ist Fachberaterin für Kompressionstherapie mit dem Schwerpunkt Lymphologie im Sanitätshaus Kniesche. Mit Stammsitz in Potsdam und Filialen an sechs weiteren Standorten arbeiten 110 Mitarbeiter bei Kniesche. Das SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN hat mit ihr über die Erkrankungen Lymphödem und Lipödem sowie die Versorgung mit Kompressionsbekleidung.
Autorin: Carolin Oberheide
SAM: Lymphödem und Lipödem sind weiter verbreitet, als allgemein bekannt ist, und werden nicht immer gleich erkannt. Als chronische Erkrankungen begleiten sie die Betroffenen jedoch ein Leben lang. Wie können Sie helfen?
Anke Nichelmann: Wenn die Erkrankung vom Arzt richtig diagnostiziert wurde, ist dies schon eine sehr gute Voraussetzung. An uns ist es, den Kunden aufzuklären, denn die meisten kommen mit sehr vielen Fragen zu uns. So ein Gespräch dauert oft anderthalb Stunden, in denen wir uns auch im Kollegenkreis austauschen und anhand eines Anamnesebogens unter anderem klären: Bekommt der Kunde bzw. die Kundin schon eine Lymphdrainage und wird gewickelt? Denn erst, nachdem sich der Umfang der betroffenen Extremitäten verringert hat, ist es sinnvoll den Kunden zu vermessen.
SANITÄTSHAUS AKTUELL: Was muss noch beachtet werden, bevor mit einer Kompressionsbestrumpfung begonnen werden kann?
Anke Nichelmann: Ursachen und Nebenerkrankungen spielen gleichermaßen eine Rolle. Vorsicht ist bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch bei Wundinfektionen oder Bluthochdruck geboten – alles Risikofaktoren, die wir mit in die Therapie einkalkulieren müssen. Daher ist insbesondere für diese Erkrankungen ein großes Fachwissen erforderlich, das unsere Mitarbeiter in Basis- und Aufbaukursen der Herstellerfirmen vertiefen. Ich selbst bin bereits seit 20 Jahren in der Branche tätig und habe mich auf Lymph- und Lipödeme spezialisiert. So gebe ich selbst Schulungen für Ärzte, Heime, Hauskrankenpflege oder im Berufsbildungswerk.
SAM: Für wen eignet sich welcher Kompressionsstrumpf und welche Varianten gibt es?
Anke Nichelmann: Bei Strümpfen gibt es große Qualitätsunterschiede. Oft wird aus Unkenntnis ein Rundstrick- statt eines Flachstrickstrumpfes verschrieben. Ersterer hat von oben bis unten die gleiche Maschenzahl und sucht sich immer die schmalste Stelle, sodass er sich bei Patienten mit Ödem-Erkrankungen abrollt oder einschnürt und die Lymphe abdrückt. Um dies zu verhindern, sollten bei Patienten mit Lymph- oder Lipödem unbedingt Flachstrickstrümpfe
angepasst werden. Je dicker der Strumpf, desto höher der Tragekomfort. Die Varianten reichen inzwischen von Knie- bis Schenkelstrumpf über Strumpfhosen bis hin zu Bermudas oder Leggings, sodass wir Kunden auch eine drei- oder vierteilige Versorgung anpassen können.
SAM: Worauf müssen Patienten bei der Nutzung der Kompressionsstrümpfe besonders achten?
Anke Nichelmann: Uns ist es wichtig, dass sie die Bestrumpfung leicht an- und ausziehen können, vor allem wenn sie beim Toilettengang beeinträchtigt sind. Dies kann aufgrund des vermehrten Harndrangs durch die Lymphdrainage zu einem drängenden Problem werden.
Um sicherzugehen, dass der Strumpf auch wirklich getragen wird, ob die Maße noch passen und der Strumpf gewaschen wird, vereinbaren wir nach zehn bis 14 Tagen einen erneuten Termin.
SAM: Sicher bekommen Sie bei diesen Gesprächen auch viel psychischen Leidensdruck zu spüren. Bis zu welchem Punkt können Sie darauf eingehen und Hilfestellung leisten?
Anke Nichelmann: Durch die sichtbare Veränderung des Körpers, die Einschränkungen im täglichen Leben und oftmals auch großen Schmerzen leiden viele Patienten an Depressionen. Wir können durch die Behandlung zum Teil Schmerzen lindern und den Alltag erleichtern. Wenn die Probleme unsere Möglichkeiten und Kompetenzen übersteigen, empfehle ich, sich unserer Selbsthilfegruppe anzuschließen.
SAM: Wie kann die Gruppe Erkrankten helfen?
Anke Nichelmann: Wir setzen alles daran, die Mitglieder aus dem Teufelskreis ihrer Leidensgeschichte herauszuholen. Für viele spielt das Ödem erst einmal die Hauptrolle in ihrem Leben. Viele wissen auch gar nicht, wie sie sich verhalten sollen, was sie dürfen und was nicht. Achtet man auf ein paar Spielregeln, beispielsweise nicht barfuß zu gehen, um Verletzungen zu vermeiden, ein Desinfektionsmittel in der Tasche zu haben, körperliche Anstrengungen zu vermeiden oder sich nicht der Sonne auszusetzen, erhöht dies schon die Lebensqualität. In Ausflügen zur Lymphklinik oder Vorträgen zur Ernährung oder zu ihren Rechten hinsichtlich der Anerkennung einer Behinderung erfahren die Teilnehmer Wichtiges für ihren Alltag. Besonders spannend war bei der Werksführung bei einem Hersteller für Kompressionsstrümpfe zu sehen, wie diese gestrickt werden. In dem Zuge wurde auch deutlich, was wir Sanitätshäuser bei der Beratung leisten. Was mir besonders am Herzen liegt ist, dass auch mal gelacht wird! Darum organisieren wir beispielsweise Dampferfahrten oder Grillfeste für die ganze Familie, bei denen es sehr fröhlich zugeht. Diese Veranstaltungen sind auch wichtig für Partner, Eltern und Kinder, die mehr Verständnis für den nachsichtigen Umgang mit dem oder der Erkrankten bekommen.
SAM: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Mehr über das Sanitätshaus mit dem Lächeln erfahren Sie auf der Seite: www.kniesche.de