Kompressionstherapie bei Lymphödem
Versorgung mit einem offenen Ohr
Autorin und Autor: Jana Pajonk und Christian Sujata
Das Lymphödem gehört zu den am häufigsten auftretenden Ödem-Arten. Häufig ist die Schwellung regional auf einen Körperteil begrenzt (regionales Lymphödem). Während ein leichtes Lymphödem mit Bewegung, Hautpflege und Kompressionsstrümpfen behandelt werden kann, hat sich beim fortgeschrittenen Lymphödem die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) als wirkungsvolle und ganzheitliche Standardtherapie bewährt und durchgesetzt.
Bei einem Lymphödem sind die Beine und Arme häufig, Brust, Kopf, Hals oder Genitalien eher selten betroffen. Die Schwellung entsteht, wenn sich im Gewebe mehr Flüssigkeit ansammelt, als abtransportiert werden kann. Eine Ursache können Entzündungen (bspw. ein Insektenstich oder ein verletzter Knöchel) sein, sodass das Lymphsystem zeitweise überlastet ist – hier spricht man von einem akuten Lymphödem. Klingt die Entzündung ab, geht auch die Gewebsschwellung zurück.
Andererseits kann auch eine chronische, also dauerhafte Störung des lymphatischen Systems vorliegen. In diesem Fall ist es ratsam, schnellstmöglich mit einer entsprechenden Behandlung zu beginnen, um zu verhindern, dass sich der Zustand verschlechtert. Je nachdem, ob ein Lymphödem angeboren ist oder sich erst im Laufe des Lebens entwickelt, unterscheidet man zwischen einem „primären“ oder „sekundären“ Lymphödem. Ein primäres Lymphödem tritt als Folge angeborener Anomalien des Lymphsystems auf. Ein sekundäres Lymphödem tritt aufgrund einer Schädigung eines zuvor intakten Lymphsystems auf. Das Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ist zwar immer der erste Schritt. Aber auch die Expertinnen und Experten aus den Sanitätshäusern mit dem Lächeln stehen Betroffenen bei Fragen rund um das Lymphödem beratend zur Seite. Mit einem dieser Experten haben wir über die Erkrankung und Behandlungsmethoden gesprochen.
„Wir versorgen die Menschen neben Kompressionsware mit einem offenen Ohr“
Das Sanitätshaus Speer in Zweibrücken ist als ausgezeichnetes Lymph-Kompetenzzentrum besonders auf die Begleitung von Menschen, die unter einem Lymphödem leiden, spezialisiert. SAM hat dazu mit Geschäftsführer Holger Speer gesprochen.
SAM: Herr Speer, Sie und Ihre Mitarbeitenden begleiten seit vielen Jahren Menschen, die unter einem Lymphödem leiden. Was ist bei dieser Erkrankung die größte Herausforderung?
Holger Speer: Tatsächlich ist es erstmal die Diagnose, sie wird leider häufig erst nach vielen Monaten oder gar Jahren des Leidensweges gestellt. Viele Menschen werden von ihren Hausärzten mit Tipps wie „Nehmen Sie mal ab!“ nach Hause geschickt. Dabei steckt hinter den angeschwollenen Gliedmaßen eine Erkrankung, die man nicht allein durch andere Ernährung oder mehr Bewegung in den Griff bekommt.
SAM: Was genau ist denn ein Lymphödem?
Holger Speer: Ein Lymphödem ist ein Stau im Gewebe des Lymphsystems. Unsere Lymphgefäße gehören zum Immunsystem und sind für den Abtransport von Abfallprodukten aus Blut und Stoffwechsel zuständig. Diese flüssigen Stoffe werden Lymphe genannt. Können sie nicht richtig abfließen, entstehen Stauungen, meistens in den Gliedmaßen, aber manchmal auch am Oberkörper. Und diese Stauungen lassen die entsprechenden Körperteile dann anschwellen.
SAM: Und wie entsteht diese Erkrankung?
Holger Speer: Man unterscheidet zwei Arten von Lymphödemen: Als chronische Erkrankung ist diese Neigung zur Stauung von Lymphen angeboren, hier liegen meist Fehlbildungen im Lymphsystem vor. Lymphödeme können aber auch im Laufe des Lebens in einer akuten Form auftreten. Sie entstehen zum Beispiel in Folge von Verletzungen, Operationen oder als Begleiterscheinung bei Krebstherapien.
SAM: Woran erkennt man ein Lymphödem?
Holger Speer: Wenn Sie eine dauerhafte Schwellung an Armen oder Beinen haben, egal ob ein- oder zweiseitig, können Sie anhand des sogenannten Stemmer’schen Zeichens überprüfen, ob Sie unter einem Lymphödem leiden. Dazu drücken Sie die Haut an einem Zeh oder einem Finger zusammen und versuchen diese abzuheben. Gelingt es Ihnen nicht oder nur schwer, ist das i. d. R. ein zuverlässiges Zeichen. Eine endgültige Diagnose muss aber die Ärztin oder der Arzt erstellen. Er kann dann auch gleich notwendige und hilfreiche Therapien verordnen, die dafür sorgen, dass die Lymphflüssigkeit sich nicht weiter staut.
SAM: Welche Therapien helfen denn?
Holger Speer: In der Regel verschreibt die Ärztin oder der Arzt eine manuelle Therapie bei Physiotherapeutinnen und -therapeuten. Mit Lymphdrainage und speziellen Übungen wird dem Stau in den Gefäßen begegnet. Das wirkt meistens gut. Und dann geht es darum, dass sich nicht wieder Flüssigkeit anlagert.
SAM: Und da kommen Sie als Sanitätshaus ins Spiel?
Holger Speer: Genau. Damit sich nicht wieder Stauungen in den Gefäßen bilden, helfen wir als Sanitätshaus mit Kompressionsgeweben in Kompressionsstrümpfen oder -westen. Wichtig ist, dass die Arbeit der Physiotherapie und die unsere Hand in Hand gehen. So können wir sicherstellen, dass die Therapie den größtmöglichen Erfolg bringt.
SAM: Ihr Sanitätshaus ist ein Lymph-Kompetenzzentrum. Was heißt das?
Holger Speer: Das bedeutet, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig geschult werden und so immer auf dem neuesten Stand sind. Wir kennen zu jedem Zeitpunkt den aktuellsten Stand der Versorgungsmöglichkeiten. In so einem Kompressionsstrumpf stecken viel Ingenieurskunst und Handarbeit, ständig arbeiten Fachleute daran, die Materialien, Gestricke, Nähte und Entlastungspolsterungen zu optimieren. Denn für die Menschen, die Kompressionen tragen, sollen diese möglichst angenehm sein. Als Kompetenzzentrum arbeiten wir mit vielen Herstellern zusammen, bilden uns regelmäßig fort und sind so in der Lage, für alle Patientinnen und Patienten die bestmögliche Versorgung zu finden. Selbst mit selteneren Versorgungen am Brustkorb oder für Hände kennen wir uns sehr gut aus. Wir sind auch mit Ärztinnen und Ärzten in engem Austausch. Und wir bieten regelmäßig Informationsveranstaltungen hier im Haus an.
SAM: Was sind das für Veranstaltungen?
Holger Speer: Diese Veranstaltungen geben Betroffenen Orientierung und Unterstützung. Zu Beginn hält die Zweibrücker Fachärztin Anke Dörr einen medizinischen Vortrag, es gibt Ernährungsberatung und Tipps für Bewegungen, die helfen. Wir stellen hilfreiche Produkte vor. Vor allem aber ist es der Austausch der Betroffenen untereinander, der sehr beliebt und hilfreich ist.
SAM: Womit sind Betroffene denn neben der Erkrankung selbst konfrontiert?
Holger Speer: Viele haben einen langen Leidensweg hinter sich, bis jemand endlich die richtige Diagnose gestellt hat. Die Kompressionsstrümpfe sind dann ein – ich sage mal – „gern genommenes Übel“, die trotz aller Bemühungen, es den Betroffenen so leicht wie möglich zu machen, auch Umstände im Leben bereiten. So gut wie alle Betroffenen leiden aber am meisten unter dem sozialen Stigma. Sie begegnen häufig der Fehleinschätzung, sie seien zu dick – dabei leiden sie unter einer Erkrankung.
SAM: Davon bekommen Sie bestimmt viel mit, wie beeinflusst es Ihre Arbeit und was können Sie tun?
Holger Speer: Ja, wir wissen um die Sorgen und Nöte unserer Patientinnen und Patienten. Sie haben bei uns oft über Jahre eine feste Ansprechperson, die sie begleitet. Da werden Beziehungen und Vertrauen aufgebaut. Wir versorgen die Menschen neben Kompressionsware, Anziehhilfen und Beinlagerungskissen mit einem offenen Ohr. Wir kennen sie, schließen sie ins Herz und wissen, was für gute Seelen sie sind. Daran erinnern wir sie.
SAM: Da fühlt man sich schon beim Zuhören gut aufgehoben. Vielen Dank für das nette und informative Gespräch und alles Gute für die weitere Arbeit!
Das Sanitätshaus Speer in Zweibrücken ist wahrhaftig ein Familienbetrieb. Mit der Tochter des Geschäftsführers hat bereits die vierte Generation ihren Dienst angetreten. An den drei Standorten des Unternehmens (zweimal in Zweibrücken und einmal in Homburg/Saar) versorgen Holger Speer, seine Frau, seine Tochter und rund 40 weitere Mitarbeitende die Menschen der Umgebung mit allem, was Sanitätshäuser zur Gesundheit beitragen können. Mehr über das Sanitätshaus mit dem Lächeln erfahren Sie hier: