Moderne Armprothesen:
3-D-gedruckt und griffsicher
Interdisziplinäres Teamwork und Prothesenanpassung an komplexe Anforderungen mittels modernster Technik
Autorin: Carolin Oberheide
Armprothesen sind Carsten Suhles Leidenschaft und Faszination. Mit seiner 3-D-gedruckten elektrischen Armprothese wurde der Orthopädietechniker 2018 zum Jahrgangsbesten der Meisterausbildung. Im Sanitätshaus Klinz in Bernburg arbeitet er interdisziplinär mit Ärztinnen und Ärzten und Kliniken, Orthopädietechnikerinnen und Orthopädietechnikern, Ingenieurinnen und Ingenieuren sowie Designerinnen und Designern zusammen, um Armprothesen mittels modernster Technik an ihre komplexen Anforderungen anzupassen.
Meist sind es Menschen mit einer angeborenen Fehlbildung, seltener auch mit einer Amputation, die mit dem Wunsch nach einer Armprothese ins Sanitätshaus Klinz kommen. Hier wird von der Teilhandprothese bis zum ganzen Arm jede Prothese individuell konstruiert. Die Bandbreite ist groß: Es gibt passive, sogenannte Habitus-Prothesen aus Silikon, die dem verlorenen Körperteil ähneln, oder aktive Prothesen, die nicht nur besonders fingerfertig sind, sondern auch optisch ansprechend: „Durch den Einsatz von Scannern und spezieller 3-D-Modellierungssoftware verbessern wir das Erscheinungsbild der Prothese und können sogar auf spezielle Designwünsche eingehen“, erzählt Carsten Suhle.
Ein Arm voller technischer Finessen
Bestanden die Prothesen früher aus glasfaserverstärktem Kunststoff mit einem aufwendig hergestellten Schaum-Modell, werden sie jetzt mithilfe der Software direkt im Sanitätshaus Klinz konstruiert, gedruckt und die entsprechenden Bauteile im Schaft montiert. Sogenannte myoelektrische Prothesen enthalten viel Technik wie Akkus, Controller, Integral, Ladebuchse und Elektroden am Unterarm, die Muskelsignale verstärken und zur Hand leiten. „Sie erkennen sogar, wie stark die Person zugreifen möchte. Die Stärke der Muskelkontraktion wird durch Elektroden erfasst“, erklärt Carsten Suhle. Eine Software zeigt ihm, wo die stärksten Signale sind, wie Impulse entstehen und wo die Sensoren sitzen müssen, um die Prothese optimal zu bedienen. Armprothesen mit multiartikulierenden Händen können sogar einzelne Finger bewegen. Die Griffmuster werden am Computer oder mittels App am Mobiltelefon personalisiert und zugeordnet. Dies können beispielsweise ein Tassen-, Koffer-, Schlüsselgriff oder ein Mousetasten-Klick sein. „Möglich sind zwar bis zu 36 verschiedene Griffmuster. Gut merken kann sich das Gehirn aber eher zwischen drei und sechs Mustern, danach wird es knifflig“, weiß Carsten Suhle aus Erfahrung. Die Zukunft seien jedoch selbstlernende Armprothesen, die dank künstlicher Intelligenz allein durch ihre Nutzung immer griffsicherer werden. Doch bereits jetzt sind die Prothesen dank der hohen Individualisierung so konstruiert, dass Kundinnen und Kunden Bewegungen mit dem neuen Arm und der Hand im Rahmen der Physio- und Ergotherapie innerhalb kurzer Zeit trainieren.
Spielen, klettern, greifen – Prothesen für Kinder
Eine besondere Herausforderung sind Kinderprothesen für den Orthopädietechniker-Meister: „Mit elektrischen Prothesen beginnen wir bei Kindern aufgrund der vielen raumfordernden und in der Summe schweren Komponenten erst ab einem Alter von vier bis fünf Jahren.“ Vorher leiste ein wesentlich leichterer Silikonarm gute Dienste. „Kinder, die mit einer Fehlbildung geboren wurden, empfinden meist kein Defizit und arrangieren sich mit einem Leben ohne Arm oder Hand.“ Eher seien es die Eltern, die eine Diskriminierung ihres Kindes befürchten. Sie wünschen sich, dass es mit der körperlichen Entwicklung anderer Kinder mithalten und mit ihnen spielen und Sport treiben kann. Daher sei es am besten, das Kind so früh wie möglich an eine Prothese zu gewöhnen. Allerdings müsse diese wegen des schnellen Wachstums häufig überprüft und angepasst werden, denn „Kinder tolerieren, nicht wie Erwachsene, wenn irgendwo etwas drückt.“ Die Krankenkassen übernehmen trotz des hohen Aufwands die Kosten. Das gelte auch für Erwachsenenprothesen – mit Ausnahme ausgefallener Designwünsche.
Nachdem er die Prüfung zum Handwerksmeister erfolgreich absolviert hatte, gründete Gerd Klinz das gleichnamige Sanitätshaus im Jahr 1990 in Bernburg. Mittlerweile beschäftigt er mehr als 125 Mitarbeitende in zehn Filialen und den orthopädischen Werkstätten. Das Sanitätshaus befindet sich mit Hauptsitz, Werkstatt- und Fertigungszentrale in Bernburg. Klinz´ Fokus lag von Anfang an in der handwerklichen Ausprägung der individuellen Herstellung und Anpassung unterschiedlicher Hilfsmittel. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, Kompetenzzentren innerhalb des Unternehmens zu schaffen, die sich ständig weiterentwickeln. Seit 2016 setzt das Sanitätshaus auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Technikern, Meistern, Designern und Ingenieuren. Das schafft einen hohen Innovationsgrad und ermöglicht es, die Horizonte der Branche zu erweitern. Durch modernste Technik hat das Sanitätshaus Klinz seine Meisterwerkstätten ergänzt und erhält deshalb Spielräume, um individuelle Lösungen zu entwerfen – immer mit dem Ziel, Patientinnen und Patienten noch besser zu versorgen. Mehr über das Sanitätshaus mit dem Lächeln erfahren Sie hier: