Ein Rollator wie ein Porsche?
Kann ein Rollator ein Premiumprodukt werden?
Interview
Henning Rieseler ist Designer und Leiter des Studio F. A. Porsche in Berlin. Seit Jahrzehnten gestaltet die Designagentur für ihre eigene Marke Porsche Design sowie für Kunden weltweit Premiumprodukte. Das SANITÄTSHAUS AKTUELL MAGAZIN sprach mit ihm über gehobene Ansprüche an medizinische Hilfsmittel und das Design eines Rollators.
Autor: Christian Sujata
SAM: Herr Rieseler, das Studio F. A. Porsche ist eine Designagentur mit 45 Jahren Erfahrungen, mit der man beispielsweise edle Uhren, puristische Designlautsprecher, hochwertige Accessoires oder luxuriöse Yachten verbindet. Nun haben Sie einen Rollator gestaltet, wie kam es dazu?
Henning Rieseler: Das Studio F. A. Porsche ist seit jeher bekannt für die von Ihnen genannten Entwürfe, weil diese natürlich die größte Aufmerksamkeit in den Medien hervorrufen. Außerdem sind wir als Designstudio ja auch für unsere eigene Marke Porsche Design verantwortlich, indem wir dort mit sehr puristischen und funktionalen Entwürfen ein starkes Markenbild prägen. Weniger bekannt, aber seit Jahrzehnten schon Teil unseres Repertoires sind Entwürfe in den Bereichen Medizintechnik und Investitionsgüter wie beispielsweise Industriemaschinen. Insofern zeichnet uns sicherlich eine Vielseitigkeit aus, die uns auch immer wieder auf neue Lösungen kommen lässt bei den unterschiedlichsten Produkten. Als die Anfrage von der Firma Bischoff & Bischoff für das Design eines Rollators kam, waren wir sofort interessiert. Herr Bischoff und sein Team konnten uns sehr schnell durch ihren Qualitätsanspruch und ihre Begeisterung für Innovationen überzeugen.
SAM: Was war Ihr Anreiz, ausgerechnet dieses medizinische Hilfsmittel zu designen?
Henning Rieseler: Ein Rollator ist ja ein noch relativ junges Produkt. Innerhalb der letzten Jahre hat es jedoch eine enorme Verbreitung und damit auch Präsenz in der Öffentlichkeit erfahren. Dies liegt nicht zuletzt an der immer aktiveren, älteren Generation, die trotz gewisser Einschränkungen vor allem selbstständig am aktiven Leben teilnehmen will. Durch dieses neue Selbstbewusstsein wandelt sich auch das Bild, welches wir von medizinischen Hilfsmitteln haben: Es sind längst keine „Krücken“ mehr, sondern Produkte wie viele andere auch. Leider spiegelt sich das am Markt im Moment noch nicht wider. Viele Produkte im Hilfsmittelbereich haben noch die alte Denke in sich. Insofern war es für uns extrem spannend, hier Impulse zu setzen.
SAM: Wie sind Sie bei Ihrer Arbeit vorgegangen, insbesondere hinsichtlich der zu berücksichtigen Funktionen des Rollators?
Henning Rieseler: Bei dem Rollator würde ich wie bei vielen anderen Produkten auch die Funktionen in zwei Ebenen einteilen. Zum einen gibt es die offensichtlichen Aspekte wie Ergonomie, Handhabung, Gewicht, Stabilität etc. Hier konnten wir in Workshops von dem reichen Erfahrungsschatz des Herstellers profitieren. Außerdem hatten wir während der gesamten Entwicklung mehrere Rollatoren bei uns im Büro, sodass wir auch immer direkt neue Ideen und Funktionen realitätsnah überprüfen und vergleichen konnten. Henning Rieseler, Leiter des Studio F. A. Porsche in Berlin Die zweite Funktionsebene bei Rollatoren ist aber die, die bisher meistens außer Acht gelassen wurde. Es sind die Wünsche der Benutzer: Was vermittelt mir der Rollator? Wie nehme ich ihn wahr? Wie werde ich mit dem Produkt wahrgenommen? Dies sind genau die Fragen, für die das Unternehmen zu uns gekommen ist. Die Grundfrage war: Kann man einen Rollator so gestalten, dass er zu einem Premiumprodukt wird und somit zu einer Zielgruppe passt, die sich auch sonst mit Produkten umgibt, die sehr bewusst gekauft werden und die den Anspruch an Design und Hochwertigkeit erfüllen? Und genau hier kam unsere Stärke und Erfahrung vom Studio F. A. Porsche zum Tragen.
SAM: Wie würden Sie das finale Design des Rollators beschreiben?
Henning Rieseler: Das Design würde ich als puristisch und ikonenhaft bezeichnen. Basis des Entwurfs sind die beiden dreieckig gestalteten Seitenteile aus dem Material Carbon. Dies ist aus dem Motorsport bekannt und wird eingesetzt, um extrem leichte, aber dennoch hochstabile Konstruktionen zu erreichen. Also ideal für dieses Produkt, um einen der leichtesten Rollatoren zu bauen. Unserer Leitlinie „Design must be honest“ folgend, wird das Material auch in seiner Struktur gezeigt. Damit entsteht ein sehr technisch faszinierendes Produkt, dem man die Qualität und Leichtigkeit ansieht.
SAM: Glauben Sie, dass der ästhetische Anspruch bei der Auswahl von Hilfsmitteln zukünftig eine Rolle spielen wird?
Henning Rieseler: Davon bin ich überzeugt. Je normaler Hilfsmittel im Alltag werden, desto variantenreicher wird auch ihre Gestaltung sein. Es gibt ja nicht den einen Geschmack. Die meisten Menschen wollen Produkte, die genau zu ihnen passen. Warum sollten sie diesen Wunsch bei Hilfsmitteln verwehrt bekommen? Ich gehe davon aus, dass wir mit unserem Rollator nur einen Anfang gemacht haben und ich hoffe, dass es bald viele Rollatoren in unterschiedlichsten Designs geben wird. Dann wird es auch nicht mehr ungewöhnlich erscheinen, dass ein Büro wie Studio F. A. Porsche einen Rollator gestaltet.
SAM: Herzlichen Dank für das Gespräch!