Anspruch auf Hilfsmittel-Mehrfachausstattung

Haben Versicherte gegenüber ihrer Krankenkasse Anspruch auf Hilfsmittel-Mehrfachausstattung?

 

Immer wieder kommt es vor, dass Versicherte zwar mit einem Hilfsmittel, z. B. mit einem Rollstuhl, versorgt sind, aber eine zweite, funktionsgleiche Versorgung wünschen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Krankenkassen die Kosten für diese Zweit- bzw. Doppelversorgung übernehmen müssen.

Juristin Karin Glund (© Sanitätshaus Aktuell AG)

Gastkolumne von Karin Glund, Juristin und Vertragsmanagerin bei der Sanitätshaus Aktuell AG

Grundsätzlich haben Versicherte gegenüber ihrer Krankenkasse einen Anspruch auf die Versorgung mit den im individuellen Einzelfall medizinisch notwendigen Hilfsmitteln (vgl. § 33 Abs. 1 SGB V). Ergänzend hierzu hat der gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung beschlossen.

Besondere Beanspruchung durch den Versicherten

Nach § 6 Abs. 7 dieser Richtlinie kann eine Mehrfachausstattung mit Hilfsmitteln nur dann verordnet werden, wenn dies aus medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig oder aufgrund der besonderen Beanspruchung durch den Versicherten zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Als Beispiel kann hier die Versorgung mit Kompressionsstrümpfen genannt werden. Allein aus hygienischen Gründen – schließlich müssen Strümpfe auch gewaschen werden – ist bei diesem Produkt eine Mehrfachausstattung, eine sog. Wechselversorgung, in der Regel angebracht.

Bei Versorgungen mit Rollstühlen, Rollatoren oder Pflegebetten ist dagegen im Regelfall eine Einfachversorgung ausreichend. Schließlich kann der Versicherte immer nur ein Produkt nutzen. Die medizinische Notwendigkeit für ein weiteres funktionsgleiches Hilfsmittel ist bei diesen Produkten daher eher selten gegeben. Dennoch gibt es auch bei diesen Produkten Fallkonstellationen, in denen ein Anspruch auf eine Mehrfachversorgung besteht. So hat z. B. das Sozialgericht Detmold entschieden, dass ein Pflegeversicherter Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein leihweise beschafftes Pflegebett hat, wenn er aufgrund eines Sturzes vorübergehend nicht in der Lage ist, das bereits mit einem Einlegerahmen versehene, im Obergeschoss befindliche Bett zu erreichen (Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 28.09.2019, Aktenzeichen: S 18 P121/16).

Wenn das eigentliche Hilfsmittel nicht zur Verfügung steht

Bei der Frage, ob eine Mehrfachausstattung auch dann medizinisch notwendig ist, wenn das eigentliche Hilfsmittel zwecks Reparaturzeiten nicht zur Verfügung steht, hat das Hessische Landessozialgericht hingegen entschieden, dass eine Mehrfachausstattung medizinisch nicht notwendig ist, wenn ein individuell angepasster Elektrorollstuhl über das Jahr verteilt für kurze Zeiten wegen Reparaturen nicht zur Verfügung steht. Auch, wenn der Versorgungsanspruch hinsichtlich des Hilfsmittels während der Reparatur bestehen bleibe, könne daraus ein Anspruch auf eine permanente Zweitversorgung als Vorsorge für den Reparaturfall nur erwachsen, wenn die Versorgung mit einem Ersatzgerät für die Dauer einer Reparatur im Einzelfall aus besonderen Gründen ausgeschlossen erscheine (vgl. BSG, Beschluss vom 06.08.2009, B 3 KR 4/09 B).

Es ist also immer im Einzelfall zu prüfen, ob der Kostenträger für eine Mehrfachausstattung leistungspflichtig ist. Sollte der Kostenträger nicht leistungspflichtig sein, bleibt es den Versicherten selbstverständlich unbenommen, eine gewünschte Zweitversorgung privat zu kaufen. In diesen Fällen kann der Versicherte die Kosten allerdings nicht der Krankenkasse in Rechnung stellen.

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